Hier reden wir ganz ehrlich über toxische Spiritualität, denn manchmal unterdrücken wir uns selbst durch Selbsthilfe. Dazu gehört auch toxische Positivität, die wir dir am Ende des Beitrags vorstellen. Wo auch immer du dich coachen lässt: Lass dir nicht einreden, dass du an allem SELBST SCHULD bist!
Typische Sätze von Coaches, von denen ich kein Fan bin.
Hast du das schon mal gehört? „Deine Seele hat sich diese Erfahrung selbst ausgesucht. Du erinnerst dich nur nicht daran.“
Wenn du zu wenig Geld hast: „Hättest du mal mehr manifestiert, dann wäre das anders. Arbeite an deinem Money Mindset.“
Coaches sagen zu traumatisierten Opfern: „Du musst einfach den Täter*innen vergeben, die dir das angetan haben. Bewerte es jetzt neu.“
Blicke dahinter!
Aber Coaches müssen sich auch der gewaltvollen Realität bewusst sein, die dahinter steckt. Denn diese Sätze reproduzieren systemische Gewalt. Sie nihilieren die Erfahrungen von Überlebenden von Gewaltformen aller Art. Sie verschweigen zudem Privilegien.
- Manifestation funktioniert mit Sicherheit besser, wenn man weiß ist und gute Connections und ein Familienvermögen hat. Dann kommen vielleicht immer die richtigen Projekte auf dich zu geflogen.
- Keine Person hat sich es selbst ausgesucht, vergewaltigt oder misshandelt zu werden. Es ist die Verantwortung von Täter*innen. Auch dabei spielt das größere System eine Rolle, das manche sich so machtvoll fühlen lässt, dass sie denken, sie können Körper von anderen Personen besitzen.
- Manchmal hilft es nicht, einfach zu vergeben. Sondern man muss die Wut über die eigenen Erfahrungen in politische Aktion umwandeln, um die Gesellschaft nachhaltig mit zu verändern! Zum Beispiel auf einer Demo.
Was ist toxische Positivität?
Wir überschreiben negative Emotionen mit positiven, weil wir uns mit Menschen vergleichen. Wir verdrängen Dinge, die eigentlich bearbeitet werden sollten. Das führt auf lange Sicht nicht dazu, dass wir wirklich glücklich werden. Es verdrängt nur alle anderen Emotionen als Glück nach unten. Aber das Leben besteht aus einem Auf und Ab und wir können Freude nur schätzen, wenn wir auch die anderen Seiten kennen. Immer nur etwas über den metaphorischen Schimmel drüber zu streichen bringt ebenso wenig wie der lieb gemeinte Kommentar „Alles wird gut“ in einer Lebenskrise.
Aber geht die Spiritualität nicht genau darum? Um „Love and Light“. Für mich nicht. Man muss zuerst die negativen Dinge ehrlich betrachten, bevor man sie ändern kann. Sowohl im Yoga als auch in der Politik. Ich persönlich mache meine innere Bestandsaufnahme am liebsten beim Journaling. Ich frage mich ehrlich: wie geht es mir gerade WIRKLICH? Was brauche ich gerade EIGENTLICH? Wie kann ich mir das geben und NACHHALTIGE Veränderung vornehmen? Das Gegenteil von toxischer Positivität? Das ist „go with the flow of ALL your emotions“.
In der Politik kann das anders aussehen. Eine Berichterstattung, die Diskriminierungen ignoriert. Wenn wir immer so tun, als wäre alles in Ordnung und als gäbe es kein wirkliches Problem, dann wird sich auch nichts wirklich ändern. Wir brauchen erst mal eine ordentliche Portion Mut, um das anzuerkennen.
Tipps zum Thema:
– Radikale Selbstfürsorge. Jetzt! Eine feministische Perspektive. Buch von Svenja Gräfen
– Patriarchy Stress Disorder: The Invisible Inner Barrier to Women’s Happiness. Buch von Valerie Rein
– @thenapministry
– Teaching to Transgress: Education as the Practice of Freedom. Buch von bell hooks
PS: Ich möchte mit nicht sagen, dass es Manifestation, das Universum und Seelen nicht gibt. Aber dass man auch hier das große Ganze betrachten muss und nichts äußern sollte, das Opfer noch weiter traumatisiert. Und natürlich sind (zum Glück) nicht alle Coaches so!