Diskriminierung in Yoga-Ausbildungen – Gastartikel

Die Weiterbildungen im Yoga folgten und ich war wie in der ersten Ausbildung für die 200h die einzige Person of Color. Nur, dass ich dieses Mal den „Wo kommst du ursprünglich her?“ -Fragen, die es in der ersten Ausbildung auch gab, deutlicher hörte. Bei einer der Weiterbildungen ging es auf dem Weg zur Ausbildungsstätte auch schon los, als ich mit einem der weißen Ausbilder im Taxi zum Retreatort fuhr und dieser den Taxifahrer mit der üblichen Interessenfrage „Wo kommst du ursprünglich her?“ diskriminierte. Es folgte ein richtiges Quiz der weißen Person, bis er das Land erraten hat, um dann über das Geburtsland der Person of Color zu sprechen. Ich war peinlichst berührt, wollte aber mit dem Ausbilder nicht noch vor Ausbildungsbeginn eine Diskussion eingehen, drum schwieg ich die gesamte Taxifahrt über. Unabhängig von Diskriminierungsformen, war die ganze Weiterbildung ein Desaster. Denn während des Verlaufes der Weiterbildung wurde von den alten weißen Männern die Gruppe überhaupt nicht geführt und der Raum ebenfalls nicht gehalten. So konnten diesen und anderen Themen von den Ausbildern nicht wahrgenommen, geschweige denn zugelassen werden. Vielmehr gingen die Ausbilder am Schweigetag in die Sauna und ließen die Teilnehmenden allein. Falls jemand in seinem oder ihren spirituellen Prozess einen Zusammenbruch erlebt oder auch einfach dringend Jemanden zum Reden gebraucht hätte, wäre niemand da gewesen, um die Person aufzufangen. Zum Glück ist nichts dergleichen passiert.

Am darauffolgenden Tag ging ich zu einem der Ausbilder. Ich wollte früher abfahren, da ich ziemlich krank geworden war und mich dadurch sowie verstärkt durch das Nichthalten und Nichtführen der Gruppe unwohl fühlte. Er wollte wissen, was der Grund sei und ging mit mir abseits der Gruppe, damit wir in Ruhe sprechen können. Ich sagte ihm, dass ich mich aufgrund der Krankheit einfach gesundheitlich nicht gut fühle und zuhause kurieren möchte, erwähnte aber nichts von der allgemeinen Unzufriedenheit, die nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen Teilnehmenden präsent war. Er erwiderte direkt, ob ich mir mal Gedanken gemacht habe, warum ich krank geworden sei, was das auf der mentalen Ebene für eine Bedeutung hätte. Erst einmal ist es ein ungefragter Hinweis, aber ja, habe ich und ich kenne sie. Doch ich teilte sie ihm nicht sofort mit, sondern gewährte nur stückweise Einsicht in mein Innenleben. Drum erwiderte ich, dass es mir bewusst ist und es mit Wut zu tun hätte. Er fragte natürlich nach, woher die Wut denn komme. Ich ging den Versuch ein ihm zu erklären, dass ich in meinem Alltag bereits Mikroaggressionen ausgesetzt bin und in
der Weiterbildung leider auch, was ich nicht ansprechen kann. Sowie, dass das nicht Ansprechen, sondern es aushalten zu müssen dazu führt, dass ich keinen Raum für andere Prozesse habe, die weiße Personen durchleben. Denn im Grunde habe ich immer nur zwei Optionen. Die Erste ist, die Person darauf hinzuweisen, dass sie diskriminierend ist, was zu einer Diskussion führen könnte oder zweitens nichts zu sagen und eine innere Diskussion zu ertragen. Diese Abwägung habe nicht nur ich, sondern auch andere BIPoC’S täglich mehrmals zu treffen.

Manchmal spreche ich es an und bin erschöpft von der Diskussion, da es viel Energie und Kraft kostet, die nicht immer zur Verfügung steht. Mein Ausbilder wies mich darauf hin, dass die Worte nur Konstrukte sind und mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben und ich mich sowieso in radikaler Akzeptanz üben sollte. Dass ich bereits in dem Moment vor ihm saß und ruhig blieb und ihn darauf hinwies, dass das nicht so einfach sei und Rassismus auf einer anderen Ebene zu betrachten ist, da wir BIPoC’S tagtäglich Situationen ausgesetzt sind, die er als weiße Person nicht kennt und radikale Akzeptanz übte, war ihm nicht bewusst. Seine Aussagen daraufhin drehten sich immer wieder darum, dass ich mich in radikaler Akzeptanz üben solle und, dass ich danach verstehen werde, dass wir alle eins sind. Ich versuchte ihm das Buch von Tupoka Ogette vorzustellen mit dem Hinweis, dass er nachdem er es liest, verstehen würde. Doch auch das wies er vehement von sich ab. Während ich mir seine Aussagen anhören musste, übte ich bereits radikal radikale Akzeptanz. In den zwei Stunden während wir sprachen, ging es noch darum, dass Rassismus und all das „nichts mit ihm zu tun hätte“ und er sich auch nicht in die Thematik einlesen müsste. Am Ende drehte es sich um mich, meine Wut und, dass ich daran arbeiten sollte. Es fühlte sich alles nicht richtig an, zumal er mich während der ersten Stunde konstant beim Reden unterbrochen hat und erst Monate später fiel mir auf, dass es spiritual gaslighting war.

Nachdem mir Monate später bewusstwurde, dass ich es mit spiritual gaslighting zu tun hatte, sprach ich in meinen Storys auf Instagram darüber. Den Impuls bekam ich in einer der nächsten Weiterbildung, da ich mich im Raum umschaute und erneut feststellte, dass ich die einzige Person of Color war. Nichts sehnlicher als andere BIPoC’S in Yoga Aus- & Weiterbildungen zu treffen wünsche ich mir. Eine Person mit der ich meine Lebensrealität teilen kann. Jemanden, dem ich nicht erst einmal erklären muss, warum diese oder jene Frage nichts mit Interesse zu tun hat. Jemand an meiner Seite. In meinen bisherigen Ausbildungen sehe ich BIPoC’s in der Unterzahl und im Grunde bin oftmals die Einzige. So ging ich dem Bedürfnis nach aus meiner Erfahrung von der Weiterbildung zu teilen. Von da an wurde mein Profil von einigen aus den Kreisen des Ausbilders täglich „geprüft“. Irgendwann erhielt ich eine Nachricht via Instagram, ob ich zu einem Gespräch bereit wäre. Das war ich. In dem kurzen Gespräch versuchte die Person mir zu erklären, dass der Ausbildungsleiter sich vom „Ego gelöst hätte“ und ihm deswegen keine Worte oder Begriffe wichtig seien. Es wurde die Bitte geäußert, dass ich mich doch bitte bitte direkt an die Person wenden, wenn ich etwas habe und es nicht öffentlich auf den sozialen Medien teilen soll. Spannende Idee von derselben Person, der ich bereits einige Male via E-Mail habe Feedback aus der Weiterbildung zukommen lassen, auf dessen ich nicht eine einzige Rückmeldung erhalten habe.

Bei der nächsten Begegnung mit dem Ausbilder kam er auf mich zu, um mir zu sagen, dass er „sehr enttäuscht“ darüber ist, dass ich mich öffentlich geäußert habe. Denn er dachte, dass wir ein „vertrauensvolles Verhältnis“ hätten. Es folgte eine ca. 5-minütige Diskussion zwischen uns. Zumal ich ihm eigentlich auch versucht hatte, eine Grenze zu setzen, das ich nicht bereit bin zu reden. Erst als ich zwei Teilnehmerinnen derselbigen Weiterbildung sah mit denen ich mir unter anderem ein Zimmer geteilt habe und mit denen ich mit dem Taxi zum Bahnhof fahren wollte, nahm ich die Zeit wahr. Ich zitterte und die ersten Tränen liefen mir im Taxi die Wangen herunter. Wir saßen zu dritt auf der Rückbank, ich links und die anderen beiden neben mir. Sie unterhielten sich darüber wie schön die Weiterbildung war und wie verbunden sie sich mit allen fühlten. Kaum ein Blick fiel in meine Richtung. Auch keine Rückfrage, wie es mir gerade geht, denn die Diskussion müssten sie mitbekommen haben. Selbst, wenn nicht; Ich saß mit Tränen im Taxi und hörte mir ein Gespräch über Verbundenheit mit der Welt und den Menschen an. Weder dort fühlte ich mich verbunden, noch in der Weiterbildung von der wir gerade fuhren.

Denn auch in der Weiterbildung von der wir fuhren fielen zwei Mikroaggressionen von zwei anderen Teilnehmenden, die ich noch teilen möchte. Die erste war, als ich mich zu einer Teilnehmerin an den Tisch im Familienraum gesellte. Im Ausbildungsraum saß sie in der Nähe der Ausbilderin und konnte einen Blick auf die Namen der Teilenehmenden werfen, wie sie mir erzählte. Die Schreibweise meines Namens fiel ihr auf und sie wollte wissen, woher ich komme. Sie fing (ungefragt natürlich) an zu raten und war sehr stolz darüber, dass sie es ihrer Ansicht nach erraten hatte. Denn das erratene Land war nicht ganz richtig, doch ich habe aufgehört Leute darüber zu korrigieren und es einfach bejaht. Hauptsache ich muss mit weißen Personen nicht weiter darüber reden, wenn sie glauben woher ich sei. Die nächste Mikroaggression fiel am nächsten Tag, als einem anderen Teilnehmer in einem anderen Kontext die Schreibweise meines Namens auffiel. Seine Reaktion war, gefühlt 3 Minuten lang: „Oh wie schön ist das geschrieben. Findest du nicht auch? Das ist ja wirklich eine schöne Schreibweise deines Namens, oder? Habe ich vorher noch nie gesehen. Wo kommst du her?“ Es gibt keine vertrauensvolle Person, an die ich mich hätte mit dem Erlebten wenden können; die die zwei hätte ansprechen können, um ihnen mitzuteilen, was sie mit ihrer Fragerei bei mir und anderen BIPoC’S auslösen. Dadurch, dass ich das relativ gut abwehren kann von meinem „Ursprungsland“ zu sprechen und es geübt bin das Thema zu wechseln, kommen Fragen wie „Warum bist du in Deutschland? Seid Wann?“ und so weiter nicht mehr auf. Das mache ich bewusst, da wir aus dem Krieg geflohen sind und ich nicht aufgrund von noch mehr Unwissenheit retraumatisiert werden möchte, was solche Fragerei oft zur Folge haben. Kurze Zeit nachdem ich mir anhören durfte, wie toll mein Name ist (Was im Übrigen eine tiefe Wunde in mir hervorruft), wurde ich von dem Ausbilder emotional angegriffen und saß weinend im Taxi.

Damit andere dasselbe oder ähnliches nicht erleben müssen, wäre es notwendig, wenn

  • weiße Yogalehrende sich in der Thematik bilden, damit sie als
  • ausbildende Personen die Gruppe bereits auf Mikroaggressionen hinweisen können, sodass die BIPoC’s es nicht tun müssen und es
  • sichere Räume für BIPoC’s durch Bildung gibt und weiße Personen
  • sich mit dem eigenen weiß sein auseinandersetzen sowie
  • die finanziellen Möglichkeiten für mehr BIPoC’s öffnen

Foto von Oluremi Adebayo

Hinterlasse einen Kommentar